Das Wetter ist in den vergangenen Tagen kontinuierlich schlechter geworden. Heute hatte es einen neuen, traurigen Höhepunkt.
Schon am Morgen ist alles grau. Graue Wolken, grauer Regen, grauer Asphalt auf den Wegen des Campingplatzes. Um 07:00 ist es nicht wirklich hell. Besser liegen bleiben!
Nach dem Frühstück, irgendwann später, sausen wir nicht sofort los. Licht und Wetter laden nicht zum munteren Sausen ein. Wir bearbeiten erst einmal Fotos, übertragen, sortieren und löschen. Entwickelt wird später. Bin ja froh, wenn ich für’s Reisetagebuch die Einträge vorgeschrieben bekomme. Bilder hinzufügen und online stellen passiert später, irgendwann mal.
Es ist schon fast Mittag, der Regen hat inzwischen aufgehört und sich zu einem Nieseln reduziert. Wir starten zu einer Besichtigungs- und Rundtour durch die National Trust Anwesen der Region.
Zuerst schauen wir uns eine Scheune aus dem 14. Jahrhundert in Middle Littelton an, die zum Lagern des Zehnten genutzt worden ist.
Eine Beschreibung der Abgabe des zehnten Anteils aller Erträge der Bauern wird in der Scheune als Tauschhandel dargestellt. Die Bauern geben dem Bischof 10% aller Erträge ab, dafür erhalten sie Spiritualität und Bildung. Handel hat was mit Aushandeln und Selbstbestimmung zu tun. In Wirklichkeit scheint es aber wohl etwas abweichend gewesen zu sein. Vor allem Bildung . . . . An anderen Stellen in der Scheune geht man auf den Informationstafeln nicht ganz so weit und bleibt auch sprachlich dichter an den heute vorliegenden Erkenntnissen.
Wir sind fast allein. Fast aber nur. Es ist noch ein Mensch an der Scheune und mit dem kommen wir ins Gespräch. Schwedisch sprechender Engländer mit drei in Schweden lebenden Söhnen, der weiterhin in England wohnt, weil der Rest der Familie hier ist und vergangenes Jahr eine Rundtour u.a. durch Deutschland gemacht hat (u.a. war er in Hameln) aber auch oft in Frankreich ist. Spannend, was man so alles erfährt . . . . . . .
Das Wetter wird nicht besser, bleibt aber stabil grau und nur leicht nieselig. Besser als Regen! Wir fahren weiter nach Bredon, die nächste Scheune mit Vogelschißgefahr besichtigen. Der Boden ist übersäht vom Kot der Tauben, die sich im Gebälk niedergelassen haben.
Hat auch dem Bischof gehört, allerdings hat er hier nicht den Zehnten gehortet, sondern die Erträge seiner eigenen Ländereien, die so üppig waren, dass sie einem Wert von 1.200 Pfund / Jahr entsprachen (ein ausgebildeter Handwerker hat in der gleichen Zeit 3 Pfund / Jahr verdient). Es wird nicht darauf eingegangen, aus welchem Grund unter diesen Rahmenbedingungen überhaupt noch ein Zehnter eingesammelt wurde. In dieser ebenfalls aus der genannten Zeit stammenden Scheune sind wir aber wirklich ganz allein und daher auch „schneller fertig“.
Nächste Station ist Tewkesbury. Abbey und Stadt. Immerhin hat sie rund 11.000 Einwohner.
Das Wetter ist wie es ist und wird heute nichts mehr. Die Abbey ist da genau das richtige.
Tewkesbury, das zeigt ein Spaziergang über die Highstreet (hier hat jeder noch so kleine Ort eine Highstreet, Broadway im Übrigen auch!), ist eine lebhafte Kleinstadt mit zahllosen Geschäften und Geschäftchen.
Agile Betriebsamkeit, Verfall und Historie gehen auch hier Hand in Hand. Neben mehreren hundert Jahre alten Häusern, sogar welche aus dem Mittelalter, die bestens in Schuss sind, stehen welche, die . . . na ja, bei uns kurzerhand abgerissen würden. Der Zustand der Häuser ist grundsätzlich eine Frage des Alters. Also je älter desto schlechter ist der Gesamtzustand (falls es nicht renovierte Gebäude sind). Sowohl bei moderneren, als auch älteren Häusern ist der Zustand immer wieder bedauerlich. Putz fällt von den Mauern, Risse zeigen sich (gehen die Fenster überhaupt noch auf?), die Farbe blättert ab. Das Gesamtbild des Ortes bleibt allerdings positiv, insbesondere aus etwas Distanz. Dann fällt der Verfall nicht so stark ins Auge.
Soi ein Ort z eigt eindrucksvoll, wieviel Geld in der Bevölkerung vorhanden ist, um alte Häuser gut zu erhalten oder neue Häuser zu bauen. Bei mir bleibt der Eindruck hängen, dass man im UK in den alten Häusern nicht etwa deshalb wohnt, weil es so gemütlich oder geschichtsbeladen ist, sondern weil alles andere teurer und somit nur selten finanzierbar wäre.
Wir wollen dem Wetter entfliehen und entern ein gemütliches Café, das stark den chabby chic pflegt (absichtlich??). Kuchen und Kakao sind aber eine Wucht. Wir genießen den Aufenthalt und die Aussicht auf die High Street.
Die Zeit geht viel zu schnell um. Wir fragen uns, wie die wirtschaftlichen Verhältnisse der Briten außerhalb von London im Vergleich zu uns in Deutschland sind und recherchieren eine Runde. Gott sei Dank gibt es Smartphones mit denen man so etwas, egal wo man gerade ist, auch machen kann. Kurz und knapp: die Einkommensgerechtigkeit ist niedriger, die Renten schlechter, das Einkommen auch, die Lebenshaltungskosten sind allerdings nicht entsprechend geringer, sondern je nach Wohnort problematisch (Mieten!!). Bleiben wir doch besser in Waltrop wohnen.
Inzwischen ist es immer grauer geworden. Es regnet aber nicht. Das schwindende Oktoberlicht leistet seinen Beitrag. Wir wollen keine großen Sachen mehr machen und nur noch zurück. Mit einem Schlenker am Flußufer entlang finden wir zurück zum Parkplatz und innerhalb von 40 Minuten auch auf den Campingplatz.
Heute ist Pizzatag, auf dem Campingplatz. Es gibt Pizzen aus dem Steinofen. Typisch englisch. Nicht die Pizza, sondern die Art und Weise. Ein Ehepaar ist mit dem Steinofen auf einem Autoanhänger gekommen, hat einen Stand drum herum aufgebaut und backt Pizzen auf Bestellung. Bestellt werden kann per Internet oder persönlich am Stand. Bezahlt werden kann im Übrigen . . . . mit Karte, ist doch klar. Wir vertilgen eine Pizza für zwei und beschließen damit den Tag.