9. Tag: Ausflug nach Yarkant

Ein Eindruck vom Stzraßenbild – unbekannter Ort in Kashgar

 Meinem kleinen G. geht es nicht gut. Er leidet. Die Nacht über haben wir mit geschlossenem Fenster und runter geregelter Klimaanlage geschlafen. Hat mich nicht begeistert, ging aber. Ich selbst komme langsam wieder auf Touren, Gott sei Dank. Bemerkenswert ist die Toilette im Bad des Hotelzimmers. Sie funktioniert automatisch. Hinsetzen, alles erledigen, aufstehen und schon funktioniert die Spülung. Spülung ohne sitzen geht nicht. Mal eben was in die Toilette werfen ist also nicht so günstig. Wir sind im technikverliebten China, aber muss das sein?!?!

Ich hatte erwartet, dass hier unter chinesischem Einfluss und bei der chinesischen Belegschaft des Hotel die engl. Sprache zumindest rudimentär in Benutzung ist, aber weit gefehlt. Für jede Kleinigkeit ist unser Guide „Pati“ (Mr. Patiding) notwendig oder Google Translate (letzteres funktioniert allerdings ohne Netz nur eingeschränkt). Bei der Rückgabe der Reisepässe wird uns klar, dass wir, oder zumindest ein Teil von uns, für das Hotelpersonal viel zu ähnlich aussehen und sie uns nicht so ohne weiteres unterscheiden können. Ich bekomme den Pass von C. ausgehändigt.

Eingedenk der zurückliegenden Verdauungsprobleme konzentriere ich mich beim schlecht organisierten Frühstück auf Melonen, Bohnen, Trauben, Kaffee (!!), Orangensaft und Flohsamen (aus eigenem Vorrat). Bis zum Start um 09:00 Uhr haben wir heute mal viel Zeit. Ich packe den Koffer neu und versuche die gestern staubig gewordenen Bekleidungsstücke wieder gebrauchsfähig zu machen. Die bis zu diesem Zeitpunkt im Stillen doch vorhandene Hoffnung, dass sich meine Ohrhörer vielleicht noch in den Tiefen des Koffers versteckt haben, stirbt jetzt endgültig.

Es ist diesig und windstill in Kashgar. Dunst liegt in der Luft. Dunst oder Staub oder was sonst? Die Luft ist knochentrocken. Ich glaube Smog ist hier ein Thema. Der Guide negiert: „Das ist das Wetter heute!“. Diese „schöne Regierung“ kann doch nicht eine Entwicklung in Xinjiang initiiert haben, die Probleme aufwirft!!! Die Verherrlichung des Staatsoberhauptes und die Beschwörung der chinesischen Einheit sind allgegenwärtig. Mit China und der schönen Regierung ist alles schöner und besser in Xinjiang.

Diesen beiden Sprüchen sind wir öfter begegnet, auch, wie hier, in englischer Sprache.

Die Menschen aller Nationen sollen sich eng umarmen wie Granatapfelkerne. Die nationale Einheit soll wie das eigene Auge geschätzt werden.

In Kashgar besichtigen wir zuerst die Töpferei. Der Chef des Hauses zeigt uns wie schnell eine geübte Hand einen Tonkrug herstellen kann. Wir könnten einen Workshop buchen . . . .

Traditionelle Handwerkskunst.

Einige Mitreisende erwerben auch hier Souvenirs, Mitbringsel für zu Hause. Auch wenn die Tonwaren beeindruckend aussehen. Daheim wären es ‚Steh-rum-chen‘. Mich drängt es gar nicht für zu Hause irgendetwas mitzunehmen. Die Region ist für seine Messer bekannt. Also schauen wir uns auch einen Laden mit lauter Messer an. Vieles von dem, was hier ausgestellt ist, ist Show-Ware in traditionellem Look. Echte traditionelle Gebrauchsklingen gibt es nur wenige und ich musste ausdrücklich danach fragen. Da Messer an der Grenze ein Problem sind, werden Kämme und Spiegeldosen mit traditionellem Design von meinen Mitreisenden erworben. Insgesamt habe ich das Gefühl, dass sie einen Haufen Geld für Souvenirs in Asien lassen. Nur T. scheint zurückhaltender zu sein. Nebenan schauen wir einem Messermacher über die Schulter. Kaufen kann man dort aber nichts ;o)

Unser Guide Pati hängt ständig am Telefon und ‚bekommt Unterstützung‘. Das sieht für mich eher nach Kontrolle aus. Er muss wohl ständig melden, wo wir gerade sind, jeden Schritt mit seiner Agentur abstimmen ob alles nach Plan verläuft, ist meine Fantasie.

Um die Mittagszeit gehen wir in einem Restaurant essen. Es gibt kein Bier dort!

Oh graus. Da muss doch auf die Schnelle was organisiert und aus dem nahen Supermarkt geholt werden. Der lokale und der Deutsche Guide bestellen für uns alle zusammen, aber viel zu viel. Alles lecker, aber es bleibt m.E. zu viel übrig.

In den Altstadtgassen von Yarkant ist es warm, mir ist heiß (> 30 Grad), ich tropfe vor mich hin. Allerdings ist die Luftfeuchtigkeit gering, auf einen Hydrometer habe ich 25% gesehen. Sonst wäre es auch nicht auszuhalten.

Die geplante Moschee hat geschlossen, wir kommen nicht rein! Aber die Gräber der Yarkant Khane können wir uns ansehen. Beeindruckend ist die Geschichte der jungen Frau, der es gelingt alle Muqam zu sammeln, zu lernen und vorzutragen. Ihr wird viel Ehre in den Grabanlagen zuteil.

(Muqam: ein riesiges, kulturell reiches Repertoire von Musikzyklen mit Tanz und Gesang und gleichzeitig ein musikalisches Modus-System)

Am Ende der Fotoreihe sind die Gräber nicht so reicher und berühmter Menschen dargestellt.

Die Gräber liegen in einem Bereich, der irgendwo zwischen Museumsgarten und Disney World hergerichtet ist.

Eingangsbereich

Die Altstadtgassen in Yarkant sind nichts anderes als eine neue Einkaufszone. Auf mich macht das ganze den Eindruck, als wäre es für chinesische Touristen extra so gestaltet worden, auch wenn wir zumindest zwei traditionellen Handwerkerinnen bei der Arbeit zuschauen können. Ein Stückchen noch lebende uigurische Tradition sind die Kinderwiegen, die hier, so scheint es, in großer Stückzahl verkauft werden – zumindest angeboten werden.

Auf der Rückfahrt nach Kashgar nicht ich im Bus ein. Das ist gut so. Am Abend besucht ein Teil unserer Gruppe eine Theateraufführung, die der Guide als traditionelle Veranstaltung ankündigt, die im Stil der alten Muqam Lieder-, Tänze und Vorführungen gestaltet sein soll. Wir sind gespannt.

Das Theater bei Tageslicht (am folgenden Tag fotografiert). Der Vorführungssaal ist das runde Gebäude vor Kopf.

Als wir in den Saal kommen, bin ich sehr überrascht. Er ist riesig, bestimmt für 2000 Menschen gedacht. Aber es sitzen (mit uns!!) vielleicht 100 Menschen dort, wenn’s hoch kommt. Ich habe nicht viel Zeit mich zu wundern, plötzlich gehen die Pforten auf und die Menschen strömen . . . . Wo waren die nur eben noch? Wir sind doch durch leere Theatervorräume in den Saal geleitet worden . . . ? Die Vorführung ist eine Mischung aus technisch anspruchsvoller Lightshow, Musical, politischer Indoktrination mit Anleihen an traditionellen Liedern und Musikstücken. Es wir zu viel gesprochen (wir verstehen nichts), viel getanzt und gesungen. Am Ende ist China der Heilsbringer für die Muqamtradition, den ohne die ‚schöne Regierung‘ wäre dieses immaterielle Weltkulturerbe für immer verschwunden (das habe ich natürlich nicht verstehen können, sondern ist das zusammengefasste Ergebnis der Übersetzung und Erläuterung des Guides Pati, der uns begleitet hat).

Um 24:00 liege ich endlich im Bett.

Übernachtung heute wieder in:
Kyriad Hotel Kashgar
Nr. 6 Tuman Road, Wusitangboyi-Straßenviertel, Stadt Kashgar

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