
Wir haben uns für vier ganze Nächte auf dem Campingplatz Coed-Y-Llwyn einquartiert, da es hier in der Gegend viel zu entdecken gibt und wir vielleicht auch mit einer der hier beachtlich zahlreichen historischen Eisenbahnen fahren wollen. Vorausgesetzt, das Wetter stimmt.
Ein Grund, heute nach Porthmadog zu fahren.

Dort ist einer der größeren Bahnhöfe für mehrere Verbindungen. Auf dem Weg dorthin machen wir einen Schlenker über das künstlich erschaffene Dorf Portmeirion.Wieder einmal hat sich ein Menschenkind mit viel Geld einen Traum realisiert und ein eher surrealistisches Dorf nach seinen Vorstellungen gebaut. Auf dem Parkplatz angekommen werden wir schon stutzig. Für’s Parken nimmt man hier nichts??!?!? Auf dem Weg runter zum Dorf wird die Strategie klar. Eintritt pro Erwachsener 20 GBP, für Rentner und andere Minderbemittelte immerhin noch 17,50 GBP. Wir wollten einfach mal ’ne Stunde uns das Dorf ansehen . . . Nicht für diesen Betrag! Wir streiken und fahren weiter nach Porthmadog.
Natürlich müssen wir uns für’s Parken in Porthmadog auch um ein paar Pfund erleichtern lassen, aber weit tolerabler (3 GBP). Witzig ist, dass die ADAC App für diese Gegend angezeigt hat, es gäbe keine Tankstellen. In Porthmadog gibt es sogar eine preiswerte Shell-Tankstelle (gehören sonst im UK zu den teureren). Wir tanken, bevor wir die Eisenbahnsituation erkunden.
Für eine Fahrt von ca. eineinviertel Stunde zzgl. eine Stunde Aufenthalt an einem See werden hier fast 30 GBP aufgerufen. Die weitaus interessantere Fahrt rüber nach Caernarfon (dort gibt es auch ein hervorragendes Castle) werden fast 70 GBP fällig, pro Person versteht sich. Die kleine Fahrt startet heute um 14:50 Uhr. Wir sind unschlüssig und bummeln erst mal rum. Porthmadog ist keine Schönheit, eher typisch für die Region.

Wir entscheiden uns erst einmal für die Llanfair Slate Cavern, eine Miene in der früher Schiefer abgebaut worden ist. Schließlich sind wir wg. des Schiefers ja auch hier. Wir sind zwar nicht allein an und in der Miene, aber der Besucherandrang ist überschaubar. Wir halten uns lange in der Miene auf. Trotz Pulli und Jacke friere ich am Ende der selbstgeführten Tour.

Die Aussicht von hier oben, von der Terasse vor der Miene, auf die Bucht und die fast gegenüberliegende Halbinsel Llyn ist hervorragend. Ausserdem ist’s hier wärmer als in der Miene. Insgesamt ist es m.E. zu warm für die Jahreszeit. Ohne Sonne kommen wir bequem auf 14 / 15 Grad. Mit Sonne kommen sommerliche Gefühle auf.

Wir sitzen zu lange in der Sonne und müssen um zwanzig nach zwei feststellen, dass es jetzt zu spät für die kleine Eisenbahnfahrt ist. Das Wetter hat sich inzwischen wieder beruhigt, der Regen über der Bucht (links von uns regnet es auch) hat sich verzogen und die Bahnfahrt wäre wohl trocken geblieben. Na nicht so tragisch, vielleicht haben wir ja noch das Wetterglück mit einer Bahn auf den Gipfel des Mount Snowdon zu fahren.
Statt dessen machen wir uns auf den Weg in Richtung der unaussprechlichen Stadt Blaenau Ffestiniog. Sie war ein Mittelpunkt und eine Hochburg des Schieferabbaus. Die Berge rings um diesen Ort sind weg oder mit Schotterhalden übersäht oder löcherig wie ein Käse. Schön ist der Ort nicht. Aber ich kann mir gut vorstellen, wie es hier ausgesehen hat, als der Schieferbergbau seine Hochphase hatte.

Wir haben Glück, das Abendlicht macht alles schön. Mit Regen wäre es wahrscheinlich ein trauriger Anblick, passend zur damaligen Zeit der gnadenlosen und konsequenten Ausnutzung von Menschen jeden Alters und Geschlechts. Jungen haben ab dem 12. Lebensjahr in den Minen und Steinbrüchen 60 Stunden in der Woche für den 30. Teil des Lohns eines Mannes gearbeitet. Eine nicht ungeschickte Kultur des ‚Stolz auf seine Arbeit sein‘ hat die Bedingungen für mich besonders pervers gemacht.
Gestern hatte ich drüber nachgedacht, auch heute noch einmal rüber in den Pub zu gehen, aber wir haben beide keine Lust und beenden den Tag campergemäß im Auto.
