8. Tag: Weiterreise über den Hochgebirgspass nach China

Kashgar / Kashi / Kaxgar – China // Unterschiedliche Schreibweisen, eine Stadt.

Wir stehen echt früh auf, schon um 05:30. Das Frühstück ist extra für uns schon für 06:15 Uhr vorbereitet. Um 07:00 geht es los. Mir geht es Gott sei Dank wieder gut. Die geänderte Ernährung fordert immer noch ihren Tribut. Hätte nicht gedacht, dass das sooo lange wirkt.

Zuerst fahren wir zu einer Karawanserei aus dem 14. Jahrhundert (Tak Rabash), die quasi auf dem Wege liegt. Sie zu besichtigen steht nicht im Programm, sondern ist von C. zusätzlich organisiert worden. Die Agentur nimmt dafür 100,– Dollar extra, mehr Kilometer mit den Bussen, der Guide und die Fahrer müssen mehr arbeiten. Wir werfen zusammen. Pro Kopf sind’s ja nur 10,– Dollar. Die Eintrittsgebühr in die Ruine will C. übernehmen, anstelle eines Anteils an den Zusatzkosten. Als wir gegen 10:00 ankommen schlackert eine ältere Dame mit Notebooktasche zum Eingang und öffnet. Notebook . . . ? Hmmm. Tarnung, nur die Kasse ist drin und das Sitzkissen, auf dem sie dann zu ruhen gedenkt. Aber sie hat es geschafft, mich zu verblüffen.

Die Menschen in den in der Nähe stehenden Jurten (Unterkünfte für Touristen) machen den Eindruck, als wären sie gerade wach geworden. Es ist kühl hier oben (> 3.000 m) und man heizt.

Wir sind so früh am Morgen die einzigen Besucher der Karavanserei.

Der zusätzliche Programmpunkt hat sich gelohnt. Die Karawanserei ist beeindruckend. Allerdings gibt es keine Erklärungen eines örtlichen Menschen. Nur unser kirgisischer Guide und Reiseleiter C. helfen weiter. Aber wir haben ohnehin nicht so wirklich viel Zeit, ein regelmäßiges und zuverlässiges Phänomen dieser Reise.

Sanitäre Einrichtungen gibt es auch . . .  irgendwo in der Landschaft. Ich muss sie schnellstens wahrnehmen, auch wenn ich diese Form der Toilette absolut nicht mag. Rucksackträger sind absolut im Vorteil. Wider Erwarten funktioniert alles unfallfrei. Insgesamt gibt es diese Variante viel zu häufig, meist in einem bedauerlichen hygienischen Zustand und schon aus der Entfernung auch mit einem schlechten Geruchssinn verlässlich zu lokalisieren (Ausnahme Hotels, da war alles „normal“). Bin gespannt, ob sich an dieser Stelle im nächsten Land etwas ändern wird.

Passt doch gut in die Landschaft . . . .
Und diese hier ist noch vergleichsweise sauber.

Die Fahrt zur Grenze ist ansonsten ereignisfrei. Wir kommen immer höher. Die im Folgenden beschriebenen Kontrollen auf kasachischer und chinesischer Seite finden alle auf einer Höhe von 3.400 m oder höher statt. Fotografieren ist strengstens verboten. Vorsicht ist die Mutter der Porzellankiste. Ich mache tatsächlich nicht ein Foto, obwohl ich mir eigentlich für das ein oder andere verborgene Foto die GoPro meines Sohnes ausgeliehen habe. Aber mir ist nicht danach. Ich kämpfe viel zu sehr mit meiner Contenance und schiele ständig nach einer Toilettenanlage.

Die erste Kontrolle findet auf kirgisischer Seite statt, noch weit von der Grenze entfernt. Fahrer und Guide müssen per Dokument mit vielen Stempeln nachweisen, dass sie mit uns in die Grenzregion fahren dürfen. Von uns werden nur die Pässe kontrolliert.

Den ach so spektakulären See sehen wir nur aus der Ferne. Erst intellektuell ist der See spektakulär. Er liegt auf über 3.400 m und ist dafür sehr,sehr groß. Er liegt hier allerdings in eine Landschaft eingebettet, die auch irgendwo auf 1500 m liegen könnte. Etwas öde und ansonsten farblos, fad.

Die zweite Kontrolle ist immer noch ziemlich weit von der eigentlichen Grenze entfernt, geschätzt ca. 5 km. Hier warten LKW in Massen auf die Abfertigung. Ein riesiges Durcheinander. Ich kann keine Ordnung erkennen. Wir müssen aussteigen und unser Gepäck entladen. Vor dem Bus auf dem Boden im Staub müssen wir die Koffer auspacken. Mit breiten Beinen steht ein martialisch aussehender Militär mit verschränkten Armen vor meinem Koffer und zeigt auf die Dinge, die aus dem Koffer raus in den Staub müssen und die er sehen will. Machtdemonstration. Irgendwann hat er keine Lust mehr und wendet sich ab. Alles wieder einpacken und zurück in den Bus. Aber wir nicht. Wir müssen zum Immigration Office. Dort ein unerwarteter Service. Mehrere Schalter sind geöffnet. Alle sind übervoll. Lange Schlangen. Die Menschen, vermutlich die Fahrer der draußen kunterbunt durcheinander wartenden LKW, sind laut und haben alle viele Dokumente in den Händen. Ein Offizier scheucht die Menschen vom ersten Schalter weg und lotst uns dorthin. Ich höre nicht, dass er irgendeine Erklärung für die Verscheuchten abgibt. Wir kommen auf diese Weise zu einer bevorzugten Behandlung und bekommen recht schnell unseren Ausreisestempel.

Unsere Fahrer waren inzwischen fleißig und schnell. Nach der ersten Kontrolle, siehe oben, hat einer der Busse einen Plattfuß bekommen. Innerhalb von ca. 20 Minuten, so lange hat unsere Passkontrolle gedauert, haben sie den Reifen gewechselt und sehen jetzt aus wie im Staub gesuhlt. Gott sei Dank haben wir genügend Wasser an Bord und sie können sich wenigstens grundlegend säubern. Die Fahrer fahren heute noch zurück, brauchen aber für die Strecke nach Bischkek zwei Tage. Ist das schon die Grenze an der man keine Fotos machen soll? Egal, sicher ist sicher. Toilette ist im Übrigen Fehlanzeige. Wir fahren schnell weiter Richtung China. Auch andere müssen mal müssen. Die beiden Busse halten irgendwo auf der Straße neben dem Grenzzaun und wir verteilen uns links (Frauen) und rechts (Männer) der Straße.

Die dritte Kontrolle findet an der eigentlichen Grenze auf dem Torugart Pass statt. Jetzt sind wir 3.700 m hoch. Ich habe das Gefühl, dass mein Herz etwas flattert und muss dringend irgendwo hin (aber in weitem Umkreis nichts!!). Auf der chinesischen Seite steht ein Riesenportal und Zäune und Wachtürme und eine Unmenge Militär. Wir können nur zu Fuß rüber, wenn der chinesische Bus angekommen ist, solange müssen wir warten. Die Zeit wird genutzt. Wir verabschieden uns von unseren beiden Fahrern und dem Guide. Sie bekommen zusammen über 500 € Trinkgeld in unterschiedlichen Währungen (kirgisische Som, Dollar und €). So schick die Verabschiedungszeremonie unter den Augen der chinesischen Wächter ist, es geht nicht mehr anders. Da steht eine Betonwand, die mich wenigstens von den Fußsoldaten und den Mitreisenden abschirmt. Die Soldaten im Wachturm können von mir aus zusehen. Ich kann es nicht ändern.

Genau jetzt, genau zu diesem unglücklichen Zeitpunkt kommt der chinesische Bus und wir werden über die Grenze gescheucht. Wir . . . . meine Mitreisenden!! Ich bin ja woanders unter Aufsicht. Also sputen, nichts wie hin und prompt passiert, was passieren muss. Ich schnappe mir meinen Koffer und mein Handgepäck, vergesse aber meinen kleinen Rucksack. Ich bin der letzte unserer Reisegruppe, alle anderen sind schon drüben. Einmal über die Grenze gibt es kein zurück, auch nicht für vergessenes Gepäck. Einer der wartenden LKW Fahrer auf der kirgisischen Seite hat ein Einsehen und reicht mir das Gepäckstück am langen Arm über die Grenze. Gott sei Dank, nochmal gut gegangen.

Ich fühle mich wie in Watte gepackt. Alles ist irgendwie komisch. Mir ist aber weder schwindelig, noch habe ich Kopfdruck oder Schmerzen. Hätte ich etwas Zeit hier oben, würde ich mich vermutlich an die Höhe gewöhnen können.

Beim Grenzübertritt (war es ja im wahrsten Sinne des Wortes) wurden unsere Pässe kontrolliert. Der Beamte hat sich nur angeschaut, ob der kirgisische Ausreisestempel im Pass ist, der Rest hat nicht interessiert. Das kommt noch. Wir fahren mit dem Bus zum Immigration Office. Ein gutes Stück von der Grenze entfernt. Nicht ein paar hundert Meter, eher Kilometer. Hier bekommen wir nicht nur unseren Einreisestempel und werden sicherheitstechnisch erfasst (Foto, Fingerabdrücke) sondern auch einer intensiven Kontrolle unterzogen. Hier gibt es zwar einen Tisch (unter freiem Himmel), allerdings hätte die Kontrolle auch auf der Fahrbahn stattfinden können. Der Tisch ist staubig, wie alles hier. Wolken von Staub werden von der Fahrspur herüber geweht, auf der die LKW, einer nach dem anderen, an uns vorbeifahren. Jedes Teil im Koffer wird einer Kontrolle unterzogen, Kamera und Speicherkarten erfreuen sich eines besonderen Interesses. Jede Speicherkarte muss in die Kamera damit kontrolliert werden kann, ob und was darauf zu sehen ist. Jedes Medikament muss erklärt werden, dafür kommt extra eine Frau zu dem ohnehin schon mit drei Personen recht großen Kontrollteam. Als endlich alles meine Sachen im Koffer verstaut sind, sind sie, getragen oder ungetragen, alle dreckig, staubig. Toll. Und ich bin meinen Proviant los. Der wird einkassiert soweit es sich um Obst oder andere frische Waren handelt. Sogar die Bananen werden uns abgenommen, die der chinesische Guide im Bus mit an die Grenze gebracht hat. Schnell noch aufessen geht aber. Der Guide hat für uns alle ein Lunchpaket mitgebracht: Wasser, scharfe Hähnchenteile, Burger, besagte Bananen. Verhungern mussten wir also nicht.

Bis wir alle endlich alles hinter und gebracht haben hat der Grenzübertritt mit allen Kontrollen zusammengenommen bestimmt 4 Stunden gedauert, geschätzt. Ich habe vergessen auf die Uhr zu schauen. Wir fahren nochmal ca. vier Stunden bis nach Kashi / Kaxgar / Kashgar. Das Hotel liegt mitten in der Stadt. Ein Kulturschock. Laut, busy, es riecht nach Abgasen, Lichter. Bevor wir im Hotel einchecken versorgen wir uns bei der Bank China mit Barschaft. Hatte ich nicht gerade mit gerechnet. Eine Empfehlung des Guides. Dann wird die installierte chinesische Bezahl-App ggf. vollständig überflüssig werden.

Im Hotel gibt es WLAN. Aber nur auf chinesisch. Soll heißen, WhatsApp ist blockiert, Signal geht auch nicht, eMails abrufen funktioniert aber. Alle Google Dienste sind blockiert, mit Ausnahme Google Translate. VPN Tunnel werden automatisch deaktiviert. Willkommen in der Volksrepublik China.

Ich dusche mich schnell und fühle mich danach von allen hygienischen Eskapaden des Tages gesäubert. Mit dem Guide und einigen Mitreisenden besuchen wir den sog. Nachtmarkt. Mein kleiner G. bleibt im Zimmer. Er hat jetzt wohl das, was mich zuvor geplagt hat.

Übernachtung heute in:
Kyriad Hotel Kashgar
Nr. 6 Tuman Road, Wusitangboyi-Straßenviertel, Stadt Kashgar

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