Autofahren ist in Scandinavien für mich total entspannt. Auf einer Straße, die mit 80 km/h befahren werden darf (und kann!) fährt jemand nur 60 km/h. Hinter diesem Fahrzeug bildet sich eine riesige lange Schlange, viele Dutzend Autos, zählen nicht möglich.
In Deutschland würde ich dies erleben:
Innerhalb der Schlange wären nicht nur einige wenige Verkehrsteilnehmer, die sich einander bei jeder sich bietenden Gelegenheit überholen würden. Natürlich auch dann, wenn die Spitze der Schlange, das nur 60 km/h fahrende Fahrzeug weit, weit entfernt ist. Unter Umständen würde der 60km/h-Verkehrsteilnehmer ungeduldig angeblinkt und / oder während des Überholmanövers noch verärgert angehupt, zumindest würden die Überholenden ihn anglotzen und den Kopf schütteln.
In Schweden erleben wir dies:
Alle fahren hintereinander her, die Abstände sind mit 50 bis 100 m für einen Deutschland gewohnten Verkehrsteilnehmer eher groß. Es überholt niemand, oder nur sehr selten einige Ausnahme-Verkehrsteilnehmer. Bremslichter sind kaum zu sehen. Die Abstände reichen aus, um Differenzen mit Gas geben oder wegnehmen auszugleichen. Das geht gefühlt Stunden. Zumindest so lange, bis der 60er abbiegt. Und das geschieht meistens. I.d.R. sind es locals, die nur kurze bis mittlere Distanzen fahren.
Warum ist das so? Weil hier alle nur nett sind? Weil Schweden nicht energiegeladen, nach vorne orientiert sind? Weil sie verstanden haben, dass die Teilnahme am Verkehr kein Wettbewerb ist, das „der Stärkere siegt“ schon lange out ist? Weil sie sich während der Fahrt mit etwas anderem beschäftigen? Weil die Bußgelder hier wesentlich höher sind?
Eine zumindest mögliche Antwort haben wir im Jantelag gefunden. Das ungeschriebene Gesetzt regelt das Miteinander und ist scheinbar an vielen Stellen zu spüren. Beispielsweise beklagte sich eine deutsche Person an der Universität Oerebro, mit der ich zusammengearbeitet habe, bei einem Besuch darüber, dass es problematisch ist das Potential einzelner Studierenden zu fördern, herauszukitzeln. Alle arbeiten harmonisch zusammen, keiner tanzt aus der Reihe, und sei es durch besonderen Ehrgeiz und besondere Leistungen. Konkurrenz muß ggf. hingenommen werden, gefördert oder gut geheißen wird sie nicht, erst recht nicht die, die mehr Erfolg haben.
Jantelag:
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- Du sollst nicht glauben, du seiest jemand besonders.
- Du sollst nicht glauben, du seiest so gut wie wir.
- Du sollst nicht glauben, du seiest weiser als wir.
- Du sollst nicht glauben, du würdest etwas bedeuten.
- Dir steht es nicht zu, über uns zu lachen.
- Du sollst niemals annehmen, jemand sorge sich um dich.
- Du sollst nicht denken, du könntest uns irgendetwas beibringen.
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(von Aksel Sandemose aus „Ein Flüchtling kreuzt seine Spur“, entnommen der „Gebrauchsanweisung für Schweden“ von Antje Rávic Strubel)