Ein Tag mit zwei Destillen.
Heute schlafen wir mal etwas länger, bis 07:00!! Allerdings hätte ich es heute auch noch länger geschafft. Warum auch immer. Heike ist erkältet, nicht ich!
Wir präparieren das Auto für die kommende Nacht in Dunphail auf dem Parkplatz der Destillerie. Viel ist nicht vorzubereiten, außer volle Wassertanks und ausreichend Trinkwasser. Seit gestern Abend befindet sich der Campingplatz fest in deutscher Hand. Vier Fahrzeuge aus Deutschland, zwei aus den Niederlanden und auch nur zwei aus dem UK. Und mit einem davon, das stellt sich dann für Heike beim Spülen heraus, ist ein dtsch./schottisches Paar unterwegs. Sie ist aus Münster, lebt seit 25 Jahren in Schottland und entschuldigt sich bei Heike für das schlechte Wetter in dieser Woche. Sie lebt offensichtlich schon lange im UK und scheint schon sehr gut integriert. Wir haben noch nie wahrgenommen, dass sich in Deutschland ein dtsch. Mensch bei Gästen für das schlechte Wetter entschuldigt hat. Das ist in der Tat typisch britisch.
Wir haben am Morgen gut rumgebummelt. Viel später hätten wir nicht aufstehen dürfen. Obwohl die Tour in der Speyburn Distillery ‚erst‘ um 10:30 beginnt, haben wir beinahe Zeitnot und kommen so gerade zur rechten Zeit an. Auf dem Weg fahren wir mal kurz über den Hof der Glendullan Distillery, einer der Singelton Destillen. Hier scheint es aber kein Besucher Zentrum zu geben. Alles sieht sehr industriell aus. Ganz in der Nähe liegen am Wegesrand Gebäude, die wohl auch mal eine Distillery gewesen sind (Kiln mit Pagodendach), jetzt aber verlassen daherkommen. Auf der kurzen 10 Minuten Autofahrt zur Speyburn Distillery fahren wir an sage und schreibe sechs aktiven Destillen vorbei (Glendullan, Glenfiddich, Glen Grant, Craigellachie, Benriach, Balvenie). Nirgendwo ist die Whiskydichte höher als hier, glaube ich.
Die Tour bei Speyburn ist hervorragend, viel besser als der Ruf dieses Discounter Whiskys (den 10jährigen gab es schon mal bei Aldi). Wir sind froh, dass wir der Empfehlung aus der Cooperage gefolgt sind. Der Guide Alec ist sehr emotional und mit der Destille seit seiner Kindheit verbunden, er hat als Sohn des Distillery Managers auf dem Gelände der Destille gewohnt und mit seinen Brüdern in den stillgelegten Produktionsgebäuden, z.B. auf den ausgedienten Maltingfloors gespielt. Irre. Die Tour dauert auch ungewöhnlich lange, ordentlich über eine Stunde. Wir sehen Produktionsgeräte und Methoden, die wir aus anderen Destillen nicht kennen. Wir können neben den Malzböden sogar den alten Trockenboden im Kiln und die sechs Trommeltrocknungen besichtigen.
Natürlich werfen wir auch einen Blick in die laufende Produktion mit ‚modernen‘ industriellen Produktionsmethoden. Bemerkenswert: den gesamten Herstellungsprozess des Whiskys erklärt uns der Guide anhand eines Bildschirms in der Steuerzentrale der Distillery. In dieses Allerheiligstes durften wir in einer anderen Destille noch nie hinein.
Das sich anschließende Tasting ist großzügig. Wir bekommen den NSA-Whisky Bradan Orach, den 10jährigen, den 12 und den 18jährigen zum Verkosten. Anschließend dürfen wir noch ein Distillery Exclusive Release probieren. Hervorragend. Hervorragend . . . in der Nase! Ich fahre noch Auto und trinke nicht einen davon, schnuppere nur sehr interessiert und lang anhaltend. Auf Menschen wie mich ist man aber offensichtlich in allen Destillen gut eingerichtet. Es gibt die sinnvollen Driver Packs, auch hier. Das einzige Manko in dieser Destille, wir müssen die Abfüllung in kleine Reiseflaschen selber und ohne kleinen Hilfstrichter durchführen. Klappt aber, hab‘ ja nichts getrunken!
Bis zur Besichtigung der Dunphail Distillery haben wir noch Zeit und fahren mal eben schnell (hoho, 35 Minuten Fahrzeit) an die Küste nach Burghead weil sich dort auch was Sehenswertes befinden soll. Aber das sehen wir dann doch nicht. Wir gehen an den Strand und laufen ein Stück in Wind und Sonnenschein. Der Tidehub ist hier nennenswert, nicht so ‚lächerlich‘ wie an der dtsch. Nordseeküste. Die freie Sandstrand-Watt-Fläche ist gewaltig. Wir haben aber keinerlei Kamera mitgenommen, also bleibt dieser Ausflug undokumentiert. Lange können wir leider nicht im frischen Wind herumwandern, wir ‚müssen‘ ja zur Dunphail Distillery! Angesichts des regnerischen Wetters der vergangenen Tage ist es sehr schön gewesen, diesen kurzen Ausflug an die See bei gutem Wetter zu erleben.
Dunphail zu finden ist nicht so ganz einfach . . . für unser Navi. Üblicherweise reicht es hier im UK aus, statt des Straßennamens, der Hausnummer und der Stadt einfach nur die Postleitzahl einzugeben. In der Regel führt uns unser Navi über die PLZ bis auf wenige Meter genau ans Ziel. Liegt weniger an unserem Navi, als vielmehr am System der britischen Postleitzahlen. Die Einteilung der Postleitzahlenbezirke ist kleinräumiger, die Postleitzahlen haben sechs oder sieben Stellen und bestehen aus Ziffern und Buchstaben. Insbesondere durch die Buchstaben wird die Kleinräumigkeit erreicht. Unser Navi meint also mitten im Nirgendwo, wir wären am Ziel, kein Gebäude weit und breit zu sehen, nur Felder und Wälder. Die Lösung des Problems ist einfach. Wir fahren einfach weiter und kommen wenige hundert Meter hinter einem Wald dann doch noch an.
In Dunphail werden wir von Mike per Handschlag begrüßt und er stellt uns einzeln das Team vor, das uns heute betreuen wird. Ohne dass wir uns vorstellen begrüßt er uns mit unseren Vornamen (ok, nicht allzu schwierig, bin zumindest für heute wohl der Einzige, der zuvor angefragt hat, ob er mit Camper auf dem Destilleriegelände übernachten darf). Soviel persönliche Zuwendung und Aufmerksamkeit habe ich dennoch nicht erwartet. Verglichen mit der Führung bei Speyburn ist die in der Dunphail Distillery jedoch eher weniger gut. Aber sie ist hochinteressant, da ich als Bimber-Fan jetzt life sehen kann, wie die Schwester Destille arbeitet.
Wir werden von Reign geführt, einer schottisch stämmigen Australierin. Sie macht ihre Sache sehr gut, ist vor allem ohne Probleme zu verstehen. Alec von der Speyburn Distillery hatte hingegen einen derart starken Akzent, dass wir gelegentlich nachfragen mussten.
Für das Tasting sind drei Getränke vorbereitet. Ein 12 jähriger Teaninich, die Bimber Sonderabfüllung für das Speyside Festival und ein peated New Make von Dunphail. Wir sind nur vier Personen im Tasting, zwei deutsche Paare. Die anderen fragen oder sagen aber kaum etwas, warum auch immer. Das gesamte Dunphail-Team versucht mir beizubringen, wie Teaninich richtig ausgesprochen wird, mit leider geringem Erfolg. Der New Make ist nicht my cup of tea, die anderen beiden sind allerdings super. Der Teaninich ist ein echter Sommerwhisky und für 69,– GBP in der Distillery zu haben. Ich komme ins Grübeln. Entscheide mich dann jedoch ‚nur‘ für die Speyside Sonderabfüllung und einen Distillery Exclusive Secret Speyside, den wir als zusätzliche Kostprobe erhalten. Beides Sherry lastige Whiskys, aber beide sehr lecker. In ein paar Jahren müssen wir hier wieder hin, dann sind die ersten Dunphail Whiskys fertig!!
Nach dem Tasting müssen wir erst einmal spazieren gehen. Wir laufen zu einem nahen Windpark auf einer Bergkuppe und haben von dort eine tolle Aussicht bis ans Meer und die gegenüberliegende Küste nördlich von Inverness. Die Sicht ist trotz des vergleichsweise trüben und bedenkten Himmels ganz gut. Der Wind ist aber frisch. Nach ca. 1 ½ Stunden Spaziergang komme ich beinahe nüchtern am Auto an. Wir bleiben aber dennoch über Nacht und stehen geschickt mit direkter Sicht auf die Puppenstubendestille Dunphail (sie ist soooo klein gegenüber den anderen Destillen hier in der Gegend).