Burford – Whichford

Countryhouse Style im Gartencenter, Kaffee und Kuchen in der Kirche und am Abend sehr lecker speisen – Leben in England!

Die erste Tat des Tages sieht so aus, dass wir das Burford Gartencenter entern – Beschluss von 51% aller Mitreisenden! Während wir dort sind – und Gott sei Dank unter Dach und Fach – regnet es in Strömen. Wird das bei dem Wetter heute noch was mit Chastelton House? Aber erst mal streifen wir durch eine üppige Präsentation englischen Landhausstils. Gartenmöbel, Gartengeräte, Wohntextilien, Bekleidung, Taschen, Lebensmittel, Gartenskulpturen (was nicht alles zu einem Gartencenter gehört . . . . ) und natürlich auch Pflanzen (spielen aber keine sehr dominante Rolle). Wir sind erschlagen, aber auch begeistert. Der englische Landhausstil gefällt uns in jeder Hinsicht gut, sowohl in Bezug auf Einrichtung, als auch Bekleidung. Wir sehen einiges, was uns ganz gut gefällt und vielleicht tatsächlich praktisch wäre . . . . . Was gut ist hat aber insbesondere hier leider so seinen Preis. Hier im UK gibt es zwar zum Landhausstil alles was man sich nur wünschen kann, allerdings zu Preisen, die für uns . . . nicht so ganz passend sind. Trotz aller Begeisterung bleibt es daher bei einem Brot für Heike ais der Landhaus Biopremiumbäckerei und ein paar winterharten Alpenveilchenknollen.

Wir starten danach gen Chastelton House, ein National Trust Anwesen. Die Fahrt dauert nur gut 30 Minuten. Alles ist dicht beieinander. Inzwischen hat es auch aufgehört so stark zu regnen. Die Sonne kommt ab und zu mal durch und wechselt sich mit Schauern ab. Wir nehmen nicht die schnellste Route, die das Navi vorschlägt, sondern die mit den meisten Kurven. Sie führt uns auch tatsächlich irgendwo durchs Land. Ich verliere schnell die Orientierung. Diesen Weg nur mit einer Papierkarte zu finden wäre eine Herausforderung. Sie ist aber spannender zu fahren als die großen Hauptstraßen.

Ich bin schon mal hier gewesen (2023), allerdings hatte das Anwesen geschlossen und ich habe nur ein paar schnelle Fotos von der Straße aus machen können. Das ist mir allerdings erst eingefallen, als ich zu Hause die Bilder getagt habe und der Begriff Chastelton House schon vorhanden war.

Chastelton House – sieht doch gar nicht so schlecht aus . . . von aussen.

Wir kommen kurz nach Öffnung des Chastelton House dort an und sind wieder mal erstaunt. Es ist zwar nicht voll, aber gut besucht. Das ist hier keine wichtige und national bedeutende Sehenswürdigkeit, nur das heruntergekommene ehemalige Wohnhaus einer langsam verarmenden Adelsfamilie. Dennoch sind hier mehr Menschen als ich erwartet habe.

Schön ist anders! Das einige hundert Jahre alte Haus war wohl mal irgendwann schön, innen wie außen. Jetzt ist es heruntergekommen, vieles ist kaputt, total abgenutzt, zernutzt! Renovierungsstau all überall. Das gesamte Anwesen ist ein gutes Beispiel für den Sinn und Unsinn des National Trusts. Die ehemaligen Eigentümer konnten die Unterhaltungskosten des Anwesens irgendwann nicht tragen, und das über Generationen hinweg. Das Haus wurde immer ungepflegter, immer hinfälliger. Bis es in den 1960ern wohl gar nicht mehr ging. Dann ging das Haus an den Trust. Auf den Fotos sieht die Einrichtung und das Haus gar nicht so herunter gekommen aus . . .

 

Seitdem es der NT übernommen hat steht es im Wesentlichen so da, wie es verlassen wwurde (der Trust soll es nur von zahlreichen Schichten von Staub und Schmutz befreit haben). Heute bekommt man einen Einblick in das Streben der damaligen Menschen über derartige Landsitze und Herrenhäuser sich, ihren Reichtum und ihre Bedeutung darzustellen, in der Gesellschaft und Anerkennung aufzusteigen, aber auch in deren Stolpern und scheinbar viel zu oft verzweifelte Not. Heike und ich wollen uns noch einmal den Film „Stolz und Vorurteil“ ansehen (nach einem Roman von Jane Austen). Er soll Wertegefühle, Streben und Verirrungen dieses gesellschaftlichen Standes im England dieser Zeit gut darstellen.

Heute ein „Pop-up-Café“.

Das Wetter ist derweil gemischt. Wir flüchten nach der Hausbesichtigung in die nebenbei stehende Kirche, das Gelände ums Haus ist erst einmal out. Wir sind uns nicht schlüssig, ob die Kirche noch Kirche ist. Heute am Samstag ist sie Pop-up-Café “Cake and coffee served in the church”. Der Trust lebt vom Ehrenamt. Zahlreichen Frauen haben etwas gebacken, Blechkuchen, Muffins, Topfkuchen, alles was das Herz begehrt. Die Auslage sieht aus, als wäre sie das Resultat eines Wer-backt-den-besten-Kuchen – Wettbewerbs. Allerlei Heiß- und Kaltgetränke runden das Angebot ab. Für wenig Geld (Bezahlung auch mit Karte möglich!!!) stärken wir uns in einer Kirchenbank mit Blick auf Kanzel und Altar. Die Kirche sieht nicht entweiht aus. Temporäre Nutzungsanpassung! Gefällt mir gut. Draußen ist nicht nur alles nass und ziemlich quatschig, der „Garten“ ums Haus herum ist nur noch rudimentär vorhanden und lädt nur Gummistiefelträger und deren Hunde zu einem ausgedehnten Streifzug durch die Landschaft ein.

 

Spannend ist das auf der Rückseite des Hauses auf einer Rasenfläche aufgebaute Krocketspiel. Ein Spiel der französischen (!) High Society im 19. Jahrhundert. Hat das was mit der mehrhundertjährigen französischen Geschichte Englands zu tun? Wir finden keinen Hinweis. Vielleicht war’s bei den Bewohnern des Hauses einfach zu Beginn des 20. Jahrhunderts einfach nur beliebt.

Nachdem wir alles fotografiert haben, das nicht bei drei auf den Bäumen war, treten wir den Rückzug an und fahren die kurze Strecke zum Norman Knight.

Dort kommen wir zu früh an. DIE Gelegenheit Heike die Cotswolds Distillery zu zeigen, die etwas die Straße rauf liegt (45 Minuten zu Fuß, mit dem Auto ein Wimpernschlag). Sie ist nicht hässlicher geworden, nach wie vor sehenswert, und sie hat nach wie vor eine spannende Auswahl von Whiskys. Der Shop offeriert 3 zum Preis von 2! Uppps. Dann hat das Umsatz- und Liquiditätsproblem vieler Destillen auch die Cotswolds Distillery erreicht!?!?!Dennoch bleibe ich steif und widerstandsfähig. Obwohl . . . . Die neunjährige limitierte Einzelfaßabfüllung in Faßstärke . . . . . 125 GBP sind allerdings zuviel! Basta. Heike unterstützt dennoch die Destille und erwirbt Whiskybutter und eine Probeflasche Gin als Mitbringsel für einen netten Menschen in München.

Im Norman Knight hat die Reservierung funktioniert! Super. Die lebhafte Bedienung behauptet sogar sich an mich erinnern zu können (ob’s stimmt . . . . ??). Ziemlich genau vor einem Jahr habe ich hier zweimal übernachtet und gespeist. Heute sitzen wir beide am gleichen Tisch, an dem ich vor einem Jahr gesessen habe (der einzigen erreichbaren Steckdose im Schankraum wegen). Nur habe ich dieses Mal keinen Stromadapter dabei und wir „lutschen“ den Akku des Notebooks leer, als wir uns die bisherigen Bilder der Reise ansehen, kritisieren und löschen, was nicht erhaltenswert ist.

Der Norman Knight präsentiert sich als „Public House“ und sieht von außen eher abschreckend ungemütlich und chaotisch aus (für Cotswolds-Verhältnisse), ist aber ein wahnsinnig gutes Restaurant mit gemütlicher Pub-Atmosphäre. Auch heute am Samstag ist es sehr gut besucht, fast alle Tische sind besetzt und zumindest die Cottages im Garten scheinen alle vermietet zu sein. Das Essen ist einfach gut und wir sind sehr zufrieden:
Heike: verschiedene frittierte Fischsorten, mixed Pickles, Chips, zwei Saucenvariationen
Martin: Steak/Mushroom-Pie, Sauce, sahniger Kartoffelmus, gedünstetes Kohlgemüse

Die drei verschiedenen Biere während des Essens machen mich müde. Heike hat nur einen ½ pint getrunken. Wir landen vergleichsweise früh im Bett. Hier stehen wir stromlos aber ruhig und dunkel. Sehr dunkel sogar. Auch in Whichford leuchtet nicht eine Straßenlaterne. Das ist ungewohnt für uns aus dem immer und überall erleuchteten Ruhrgebiet.

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