
Jurte. Filzteppiche, Adler- und Hundejagd, viel Tradition heute, aber auch ein Verlust.
Die Abreise aus der Jurte ist für mich irgendwie chaotisch. Ich bin nicht gut drauf und habe Kopfschmerzen. Daran ändert das Frühstück auch nichts. Ich esse kaum etwas. In Kirgistan gibt es keine derartige Zustände rettende Kaffeekultur. Instantkaffee mit Trockenmilchpulver wenn’s gut geht!! Außerdem habe ich nicht gut geschlafen. Die Folgen sind dann am Abend feststellbar. Meine Ohrhörer, mit denen ich allabendlich etwas Hörbuch höre oder mit deren Hilfe ich mit Heike telefoniere, sind weg. Offensichtlich in der Jurte unter dem Bett geblieben. Sch….!! Die Reise wird immer teurer.

Auf der Autofahrt würde ich am liebsten etwas schlafen, kann aber nicht. Die Straßen sind schlecht und wahre Schlaglochpisten. Auf dem Weg zur Skazka-Schlucht fahren wir durch ein Gebiet, dass wir bereits vorgestern kennen gelernt haben. Gleiche Strecke. Die Hänge sind voller Werbung. Farbauftrag oder/und bunte Steine. Echte Werbung für irgendwelche Firmen. Befremdend. Es tut der Landschaft nicht gerade gut.
Der erste Stopp des Tages, die Skazka-Schlucht.
Eigentlich keine Schlucht, sondern eine Region mit zahlreichen Einschnitten und (trockenen) Wasserläufen aus vergangenen Zeiten. Die teilweise skurrilen Felsformationen haben die Menschen zu allerlei Interpretationen verleitet, die eines Schneeleoparden ist noch die „vernünftigste“ und tatsächlich einfach nachzuvollziehen. Leider ist das Licht diffus und es gibt zu wenig Kontrast und Struktur für tolle Fotos, obwohl wir schon früh hier sind. In der Schlucht hat eine europäisch aussehende Touristengruppe gezeltet. Sie bauen gerade ihre Zelte ab. Insgesamt gehen wir etwas mehr als eine Stunde in dem Gewirr der Sand- und Lehmformationen spazieren.
Wir fahren dann weiter nach Bokonbaevo. Inzwischen fühle ich mich fiebrig und nehme alles wie durch einen Nebel wahr. Ich habe kein Fieberthermometer im Gepäck und kann nicht kontrollieren, ob mein Fieber-Gefühl stimmt.
Die Falknervorführung ist irgendwie Massenabfertigung. Als wir ankommen kümmern sich bereits zwei Falkner um zwei andere Reisegruppen. Hier in der Steppe bleibt nichts verborgen, auch wenn die Abstände groß sind. Dennoch ist die Vorführung sehr beeindruckend. Der Falkner führt keine Falken, sondern Steinadler.
Der Vogel in der Vorführung ist 2 Jahre jung, eine 6kg schwere Sie. Ausgewachsen sind sie 9 Kilo schwer und werden mit dem Erreichen der Geschlechtsreife, Alter 15 Jahre, ausgewildert.
Der Falkner geht mit seinem Tier fast zärtlich um. Er zeigt uns auch die Jagd mit dem Hund.
Offensichtlich spielen die Vogel- und Hundejagd in Kirgistan immer noch eine recht große Rolle. Hasen und Murmeltiere scheint es in ausreichender Anzahl zu geben.
Der Familienbetrieb des Jurtenherstellers ist gegenüber dem Falkner schon ursprünglicher. Das Betriebsgelände sieht . . . kirgisisch aus.
Eine Standardjurte, so erfahren wir, kostet ohne Innenausstattung ca. 5.000,– Dollar. Das Holzgerüst ist aus Weidenholz. Es lässt sich durch Dampf weich „gekocht“, gut biegen.
Salamat beschreibt uns heute im Bus auf Nachfrage die kirgisische Lebensart und grenzt sie zu seiner Meinung nach typischem deutschen Verhalten ab. Deutsch sein, ist in erster Linie direkt sein (bis zur Unfreundlichkeit), perfekt und pünktlich. Wenn sich ein Deutscher bei einem Nachbarn die Bohrmaschine ausleihen will, geht er rüber und fragt, ob er sie bekommen kann. Kirgisisch ist das sehr unhöflich. Erst erkundigt man sich nach der Gesundheit der Familie und dann des Nachbarn, redet über die neusten Ereignisse in der Straße oder Nachbarschaft und trinkt gemeinsam einen Tee. Kurz bevor man wieder aufbricht, fragt man dann, ach Übrigens . . . . Kirgisisch sei es auch, die Dinge so zu tun, wie sie ausreichend sind. Es muss nicht fertig sein, sicherlich nicht heute, wenn es doch schon funktioniert. Ein schiefer Zaun sorgt doch auch dafür, dass die Tiere nicht weglaufen . . .
Heute wollen alle zu Mittag essen und entern ein Lokal. Ich habe keinen Appetit und will lieber im Bus die Augen kurz mal schließen. Klappt aber nicht. Ich glaube statt dessen ganz wichtig meine Fotos sichern zu müssen Ich habe dabei so meine mentalen Probleme, kann mich kaum konzentrieren und schaffe es die Verbindung zwischen Smartphone und Kamera nachhaltig zu zerstören. Wie habe ich das nur hinbekommen??
Danach geht’s zur Frauenkooperative Altyn kol, die ich schon durch einen Fernsehbericht kennen gelernt habe. Frau stellt dort nach alten traditionellen Methoden Artikel aus Filz her, insbesondere die heute noch in Kirgistan beliebten und gebräuchlichen Teppiche. Beim Filzen werden wir mit einbezogen. Man merkt, wir sind nicht die erste Touristengruppe in diesem Betrieb. Nach der Mitmachaktion dröhnt mein Schädel. Ich hab‘ was, was auch immer.
Die im angrenzenden Shop ausgestellten Teppiche gefallen mir gut. Einige würden farblich perfekt in unsere Küche oder unseren Flur passen. Hmmm . . . Fluggepäck!??!

Trotz meines Brummschädels, oder gerade deshalb begleite ich in Kochkor die anderen Mitreisenden auf einem Spaziergang. T. hat einen Friedhof in der Stadt ausfindig gemacht, den wir uns ansehen wollen.
Mit ihrer Navigatonsapp finden wir die Stelle an der heute aber kein Friedhof mehr zu sehen ist, nur ein leeres Grundstück. Immerhin haben wir zahlreiche Eindrücke aus dieser Kleinstadt sammeln können. Lustig sind die Kinder, sie zeigen offen auf uns und wollen mit uns fotografiert werden. Die Jugendlichen, kommen gerade aus der Schule, die 2. Schicht hat Schulschluss, sind da schon zurückhaltender, aber ansonsten genauso neugierig.
Nach dieser Exkursion möchte ich nur noch zurück zum Hotel und den Tag beenden.
Heute übernachten wir im gleichen Hotel wie ein Ehepaar aus der Schweiz. Schon in der Jurte haben sich unsere Wege gekreuzt. Ich esse kaum was zum Abendbrot, obwohl alles gut schmeckt, aber heute nicht gerade mir. Dann verschwinde ich früh ins Bett, sichere keine Fotos (!), mache ein paar Notizen für’s Reisetagebuch (wird erst nach der Reise geschrieben) und schlafe früh ein.
Übernachtung in:
Nomad Logde / Bagysh Hotel (nomad-lodge.com)
Bagysh Hotel, Dostuk 9, 722800 Kochkor, Kyrgystan
Am Zugang steht allerdings: M.Kulubekov str. 30 ???