Norwegen in Schottland – Ardnamurchan
Erkenntnisse und Herausforderungen. Davon ist der Tag geprägt.
Erste Erkenntnis: Auch wenn Club Campingplätze teuer sind, sind sie nicht unbedingt schön, luxuriös oder gut in Schuss, sondern einfach nur beliebt und gut frequentiert. Der Campingplatz Bunree liegt direkt am Fjord mit Bombenaussicht. Aber das war es dann auch schon. Voll ist er, oder zumindest fast völlig. Spricht für seine Beliebtheit.
Zweite Erkenntnis. Die Isle of Mull ist zwar groß, aber viele Menschen leben dort nicht. Die Versorgung mit Lebensmittel ist sicherlich sichergestellt, aber die Wege könnten lang sein. U.u. länger als uns lieb ist. Wir wollen in erster Linie zur Insel Iona. Also gilt es, schnell noch einkaufen. In Fort William. Also zurückfahren. Es sind nur 15 Minuten. Dort tanken wir auch noch mal fix. Was für Lebensmittel auf Mull gilt, gilt sicherlich auch für Treibstoff.
Und da wir schon mal hier sind, also in Fort William, schauen wir auch schnell noch einmal in der Ben Nevis Distillery vorbei.
Der Namen gebende Berg ist hier in der Nähe, der höchste des UK. Überhaupt ist das hier eine sehr gebirgige Gegend. Tausend mal interessanter als die man-made-dessert Orkney. Die Destille ist zwar geöffnet und man ist auch sehr freundlich, wie in jeder Destille, aber sie ist nicht sehr sehenswert, von außen und im Visitor Center. Erstaunlich für eine Destille, die derart im touristischen Hotspot liegt (Loch Ness, Glenfinnan Monument, Neptun’s Staircase u.v.m sind nicht weit), es gibt keine Distillery Exclusive Abfüllung. Wir ‚fliegen‘ also nur mal so durch die Teile, die man außerhalb einer Tour sehen kann und sausen weiter. Erkenntnis drei (hatten wir eigentlich schon nach Deanston gewonnen): man muss nicht jede Destille sehen.
Wie erkundet nehmen wir die kleine Fähre Corran – Ardgour. Bemerkenswert: wir fahren von der Seite auf die Fähre auf. Um den Tidehub bewältigen zu können ist die Rampe lang und ganz schön steil.
Tja und nun haben wir die Wahl. Ich habe zufällig gesehen, dass die Distillery Ardnamurchan hier ‚ganz in der Nähe‘ liegt. Eine Destille in the middle of nowhere. Eine junge Distillery, deren Equipmentgröße (Wash- und Spiritstill) von der Breite der Straße limitiert wurde, die dorthin führt.
Heike entscheidet für JA (ich habe keine Überredungskünste angewendet!!! Echt nicht!!). Also machen wir uns bei immer besser werdendem Wetter auf den Weg und erleben eine spannende Fahrt durch Norwegen. Ja Norwegen! Nein, natürlich nicht, aber die Landschaft durch die wir fahren könnte auch in Norwegen liegen. Sie unterscheidet sich von dem, was wir bislang auf dieser Reise gesehen haben sehr stark. Und die Straße ist eine Herausforderung. Eine echte Herausforderung. Natürlich nur eine Single Track Road mit Ausweichen. Aber so eng, dass unser Camper die gesamte Straßenbreite ausfüllt. So enge und nicht einsehbare Kurven, dass 30 km/h schon einer Harakiri Geschwindigkeit gleichen. Die Straße ist uneben. Man tanzt, hüpft und wankt eigentlich von Kurve zu Kuppe zu Kurve. Die Kuppen sind echte blind summits. Man sieht nichts. Gott sei Dank sind wir höher, geht mir mehr als einmal durch den Kopf, dann können uns die anderen wenigstens früher sehen, als wir sie.
Als wir in der kleinen Destille ankommen bin ich auch froh eine Pause machen zu können. So schön die Strecke auch ist, sie ist auch anstrengend.
Den Genußumfang hat allerdings der recht schwache Verkehr (und somit auch Gegenverkehr) vergrößert. In der Destille treffen wir auf einen kleinen Shop und eine nette Dame an der Rezeption. Sie schildert uns auch den weiteren Weg von Kilchoan nach Mull/Tobermory und hat den Fahrplan der Fähre verfügbar, die dorthin führt. Diese Fähre wollten wir eigentlich nicht nehmen, um nach Mull überzusetzen. Vorgesehen war die kürzere Strecke von Lochaline nach Fishnisch/Mull. Aber das würde bedeuten die Tanzstrecke noch einmal zurück zu fahren. Neeee. Die kennen wir ja jetzt schon. Also richten wir uns auf Kilchoan – Tobermory/Mull ein. Um 15:15 fährt sie. Massig Zeit, um sie in der Distillery totzuschlagen.
Die nette Dame von der Rezeption hilft uns dabei nach besten Kräften und will uns gerne jeden Whisky erklären, der dort heute zum Verkauf angeboten wird. Leider würgen wir ihr Engagement im Ansatz ab, es sind alles rauchige Tropfen, bis auf eine Ausnahme. Die darf ich dann auch mal probieren, sprich daran nippen, Heike schlürft den Rest. Sieben Jahre alt, in einem Octave Faß gereift. Ich kann nicht wiederstehen.
Obwohl wir keine Tour gebucht haben, dürfen wir einen Blick ins Stillhouse werfen. Mehr kann ich der Dame nicht abschwatzen, da gerade eine Tour läuft und es seltsam aussähe, wenn einer die Distillery einfach so sehen darf. Aber mal eben Stillhouse, das geht wohl. OK. Es gibt spannendere Orte in einer Distillery, aber keinen der so gut aussieht. Foto machen ist aber nicht.
Von der Destille fahren wir noch gut 1/2 Stunde bis zum Anleger.
Ein kleiner, eher putziger Anleger im Nirgendwo. Offensichtlich in erster Linie für Locals. Nur 10 Fahrzeuge passen auf die Fähre hat man uns in der Ardnamurchan Distillery gesagt. Als die Fähre kommt, bezweifle ich dies.
Wir sind inzwischen auf vier Fahrzeuge angewachsen und füllen damit eine der beiden Ladereihen auf der Fähre. Die Wartezeit bis zur Fährabfahrt haben wir mit lesen (Heike), spazierengehen und Tagebuch schreiben (Martin) verbracht.
Wir legen mitten in Tobermory an, bzw. an seinem Ende. Dort ist Schluss. Von dort müssen wir uns langsam im Schritt durch den ganzen Ort an der Hafenmauer entlang schlängeln. Wir freuen uns schon darauf, in den kommenden Tagen Tobermory zu besuchen. Heute aber nicht. Heute wollen wir auf den Campingplatz. Wir haben noch über eine Stunde Fahrt vor uns. diese führt uns durch hervorragend schöne Landschaften.
Auch hier fahren wir überwiegend über Single Track Roads. Das geht nicht schnell, selbst wenn sie nicht so unübersichtlich sind, wie auf dem Weg zur Ardnamurchan Distillery, mehr als 60 km/h auf höchstens 500 m Strecke ist nicht drin, dann kommt entweder eine Kurve, eine Kuppe oder Gegenverkehr.
Kurz bevor wir auf dem Campingplatz ankommen regnet es wieder mal. 12 Grad, Regen, Windstärke 6 bft. Das kennen wir doch schon. Der Platz liegt gut, mit toller Aussicht auf Loch Scridain, einen Fjord mit West-Ausrichtung. Der Wind kann so richtig schön hier reinblasen und den Regen zum Platz wehen. Macht er auch. Der The Clansman Inn ist direkt in der Nachbarschaft, aber wir heben uns den für morgen oder übermorgen auf. Ich erkunde nur noch den Tante Emma Laden an der Straße. Die Bedienung ist sehr hilfsbereit und gibt mir den Tip für eine App von CalMac (Caledonian MacBrayne) für die Fahrpläne u.a. der Fähre nach Iona morgen oder übermorgen.