
Ein Trip in die Sonne mit Hundebiss.
Ich habe Respekt vor der weiten Fahrt von über 400 km und will daher früh starten. Der Wecker sagt 06:30. Aber irgendetwas Lautes bei den Nachbarn weckt mich dann schon um 05:40. An Schlaf ist nicht mehr zu denken, ich stehe auf und starte im Ergebnis früher als beabsichtigt.
Ja, inzwischen habe ich sogar direkte Nachbarn. Insgesamt ist gestern wohl ein gutes Dutzend Wohnmobile und Wohnwagen angekommen. Die Nachbarn neben mir fielen gestern Abend schon durch Türen schlagen und rumoren auf.
Die Fahrt ist ereignislos. Es geht ja über Autobahnen, zumindest in Schweden und auf den ersten Kilometern in Norwegen. In Schweden ist das Wetter bedeckt, blauer Himmel ist nur zu erahnen, aber es bleibt weitgehend trocken. In Norwegen kommt jedoch endlich die Sonne raus und bleibt bis in den Abend hinein. Schnee gab es im Norden der schwedischen Strecke an der Küste nur gelegentlich. In Norwegen wird es dann immer mehr. Links und rechts der Straße ab dem Oslofjordtunnel liegt der Schnee kontinuierlich ca. 20 – 30 cm hoch. Allerdings haben wir 6 Grad über Null.
Während ich auf meiner ersten Reise gen Norden 2022 an der norwegisch/schwedischen Grenze Stunden benötigte (Passkontrolle, Coronakontrolle, Einreiseformalitäten), rausche ich jetzt so einfach durch. Die EU und ihre Freunde haben schon angenehme Seiten.
Auf der schwedischen Seite entere ich noch schnell die letzte Tanke vor der Grenze. Auf der schwedischen Seite kostet der Diesel nur ca. 1,60 €, in Norwegen sind’s dann ca. 1,80 €. Daher stehen hier auch viele Norweger in den Schlangen vor den Zapfsäulen.
Die Rezeption von Hokksund Camping ist nicht besetzt. Es ist Wochenende. Ich bekomme fernmündliche Anweisungen wie und wo ich die Zugangskarten für das Servicehaus finde (die Karten liegen direkt neben der verschlossenen Eingangstür für jeden zugänglich in einer Box) und den Code für die Schranke. Bezahlen muss ich nichts, Cheffe schickt mir eine Rechnung per eMail, aber erst am Montag, von wegen Wochenende. Bin gespannt, auf welche Weise ich bezahlen kann.
Der Platz ist riesig. Viele, sehr viele Flächen für Dauergäste. Oslo und Drammen ist nicht weit. Aber es gibt auch zahlreiche Flächen für WoMobilisten, allerdings ist keiner da. Ich bin mal wieder allein. Aber nicht auf dem Platz. Dauercamper sind schon da und auch einige der zahlreichen Hütten sind bewohnt.
Einer der Dauercamper in meiner Nähe hat zwei Hunde und will mit ihnen spazieren gehen. Ich auch. Also frage ich ihn, wo man hier schön laufen kann. Einer der Hunde fand die Frage wohl anrüchig und beisst mich doch tatsächlich aus heiterem Himmel, ohne Vorwarnung. Der Besitzer ist sichtlich erschüttert, aber das hilft nicht. Die Hose hat ein kleines Loch. Leider bemerke ich es nicht sofort. Meine Haut ist unversehrt geblieben. Dummerweise vergisst der Besitzer bei der Aufregung seine Englischkenntnisse und kann mir den Weg zu den möglichen Spazierwegen gar nicht mehr richtig erklären. Ich finde sie dennoch.
Auf den Wegen sind die Spikes von Nöten. Es ist oft rutschig und glatt. Ohne wäre der Spaziergang eine Qual gewesen. Noch besser wären allerdings die Grödel gewesen, der Boden ist tief.
Am Ende des Spaziergangs komme ich an einem Lebensmittelgeschäft vorbei, stürze spontan hinein und möchte meinen Lieblingskäse kaufen, Jarlsberg. Hmm . . . komisch . . . die Kassen sind nicht besetzt . . . aber erst mal zum Käse. Auf dem Weg hinaus merke ich, dass niemand im Geschäft ist. Die Kassen sind personenlos. Alle beide. Selber-scannen-Kassen. Ich kann’s nicht glauben und suche einen Menschen, aber keiner weit und breit. Das geht mir dann aber doch ein wenig zu weit.
Am Abend, bei und nach dem Sonnenuntergang schwatze ich nicht nur mit Heike, sondern auch mit einer Freundin. Die beiden Telefonate vertiefen noch mal das Gefühl, dass ich hier so ganz allein auf weiter Flur bin. Auch wenn’s schon besser geworden ist. Ich fühle mich immer noch etwas einsam.
Die erste Nordlandfahrt begann ich direkt nach der Verrentung. Da war ich wohl noch satt von all den Sozialkontakten aus dem Berufsleben und froh mal Abstand zu gewinnen. Die drückende Einsamkeit kam während der ersten Fahrt später. Inzwischen kann ich es mir in Rente erlauben, allen zwangsweisen Sozialkontakten aus dem Weg zu gehen und mich auf die angenehmen Menschen zu konzentrieren. Das sind zwangsläufig weniger. Der Umfang stellt offensichtlich ein ausgeglichenes Verhältnis zwischen den Bedürfnissen Kontakt und Abstand her, im Alltag und zu Hause! Hier auf der Reise fehlen mir die Menschen, mit denen ich was reden kann (und natürlich insbesondere Heike). So ist es mir noch nie zuvor gegangen.